
Der Vermittlungsausschuss (Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz) ist ein gemeinsamer Ausschuss von Bundestag und Bundesrat. Darin sind beide Verfassungsorgane gleich stark mit jeweils 16 Mitgliedern vertreten. Ziel des Vermittlungsausschusses ist es, bei umstrittenen Gesetzesvorschlägen die unterschiedlichen Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat zum Ausgleich zu bringen. Der Vermittlungsausschuss wird jeweils für die Dauer der WahlperiodeEin Parlament wird in demokratischen Staaten für einen bestimmten Zeitraum gewählt. Diesen Zeitraum nennt man eine Legislaturperiode. Landtage in Deutschland werden beispielsweise für eine Periode von fünf Jahren gewählt und der Deutsche Bundestag für vier Jahre. einberufen (ständiger Ausschuss).
Zusammensetzung und Vorsitz
Der Vermittlungsausschuss besteht aus 32 Mitgliedern. Jeweils 16 Mitglieder werden von Bundestag und Bundesrat gestellt. Ebenso wird ein Stellvertreter für jedes ständige Mitglied benannt. Die 16 Mitglieder aus dem Bundesrat repräsentieren jeweils eines der deutschen Bundesländer und werden von der entsprechenden Landesregierung bestimmt. Die 16 vom Parlament entsandten Mitglieder hingegen werden gemäß ParteienproporzProporz ist eine Kurzbezeichnung für Proportionalität. Im politischen Sinne bezieht sich der Begriff auf die anteilsmäßige Besetzung von Ämtern, Gremien, Regierungen etc. durch die verschiedenen Parteien, um diese gemäß ihrer Stärke zu repräsentieren. im Bundestag gewählt.
Ebenso wird von Bundestag und Bundesrat ein Vorsitzender benannt. Der Vorsitz des Ausschusses wechselt vierteljährlich zwischen den beiden Vorsitzenden. Auch vertreten sie einander.
Mitglieder im aktuellen Vermittlungsausschuss
Im Folgenden werden die aktuellen Mitglieder des Vermittlungsausschusses aus Bundestag und Bundesrat aufgelistet.
Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss
Die Benennung der Mitglieder des 21. Deutschen Bundestages in den Vermittlungsausschuss steht noch aus.
Mitglieder des Bundesrates im Vermittlungsausschuss
Ordentliche Mitglieder | Stellvertretende Mitglieder |
Baden-Württemberg | |
Winfried Kretschmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN | Thomas Strobl CDU |
Bayern | |
Dr. Florian Herrmann CSU | Hubert Aiwanger FREIE WÄHLER |
Berlin | |
Kai Wegner CDU | Franziska Giffey SPD |
Brandenburg | |
Kathrin Schneider SPD | Dr. Benjamin Grimm SPD |
Bremen | |
Dr. Andreas Bovenschulte SPD | Björn Fecker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Hamburg | |
Dr. Peter Tschentscher SPD | Katharina Fegebank BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Hessen | |
Boris Rhein CDU | Kaweh Mansoori SPD |
Mecklenburg-Vorpommern | |
Manuela Schwesig SPD | Dr. Heiko Geue SPD |
Niedersachsen | |
Olaf Lies SPD | Julia Willie Hamburg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Nordrhein-Westfalen | |
Hendrik Wüst CDU | Mona Neubaur BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Rheinland-Pfalz | |
Alexander Schweitzer SPD | Doris Ahnen SPD |
Saarland | |
Anke Rehlinger SPD | Thorsten Bischoff SPD |
Sachsen | |
Michael Kretschmer CDU | Petra Köpping SPD |
Sachsen-Anhalt | |
Dr. Reiner Haseloff CDU | Prof. Dr. Armin Willingmann SPD |
Schleswig-Holstein | |
Daniel Günther CDU | Aminata Touré BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN |
Thüringen | |
Mario Voigt CDU | N. N. |
Aufgabe
Ziel des Vermittlungsausschusses ist es, bei umstrittenen Gesetzesvorschlägen die unterschiedlichen Vorstellungen von Bundestag und Bundesrat zum Ausgleich zu bringen. Gemäß Bundesverfassungsgericht soll der Ausschuss konkrete Gesetzgebungsverfahren zu einem positiven Ergebnis bringen, indem die notwendige Zustimmung des Bundesrats erreicht oder ein Einspruch des Bundesrats vermieden wird. Bei Uneinigkeiten soll eine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat in Form eines Kompromisses gefunden werden.
Anrufung
Wer den Vermittlungsausschuss aufrufen kann bzw. dies sogar muss, ist abhängig von der Art des Gesetzes.
ZustimmungsgesetzZustimmungsgesetze sind Bundesgesetze, die nach Abstimmung im Bundestag auch eine Zustimmung mit Mehrheit der Stimmen im Bundesrat benötigen. Wird keine Mehrheit im Bundesrat erreicht, kann dieser das Gesetz ablehnen. Zuvor muss er jedoch den Vermittlungsausschuss einberufen.
Zustimmungsgesetze sind Gesetze, die nach Abstimmung im Bundestag auch eine Zustimmung des Bundesrats benötigen. Wird keine Mehrheit im Bundesrat erreicht, kann dieser das Gesetz ablehnen. Zuvor muss er jedoch den Vermittlungsausschuss einberufen. In dem Fall haben auch der Bundestag und die Bundesregierung die Möglichkeit zur Anrufung.
EinspruchsgesetzEinspruchsgesetze bezeichnen in Deutschland Bundesgesetze, die ohne Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten können. Der Bundesrat kann bei Erreichung einer Mehrheit allerdings den Vermittlungsausschuss anrufen. Wird auch im Ausschuss keine Einigung erzielt, kann der Bundesrat Einspruch erheben. Der Bundestag wiederum kann den Einspruch mit einer Mehrheit überstimmen.
Bei einem Einspruchsgesetz kann der Bundesrat bei Erreichung einer Mehrheit den Vermittlungsausschuss anrufen. Wird auch im Ausschuss keine Einigung erzielt, kann der Bundesrat Einspruch erheben. Der Bundestag wiederum kann den Einspruch mit einer Mehrheit überstimmen. Wurde der Einspruch mit absoluter Mehrheit erreicht, kann der Bundestag auch nur mit absoluter Mehrheit (= KanzlermehrheitDer Bundeskanzler muss in Deutschland mit einer absoluten Mehrheit gewählt werden. Das bedeutet, er muss von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten gewählt werden. Die absolute Mehrheit im Parlament nennt man daher auch Kanzlermehrheit.) überstimmen.
Arbeitsweise
Die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses unterliegen strenger Vertraulichkeit. Die Protokolle werden in der Regel erst nach einer Sperrfrist von zwei Legislaturperioden veröffentlicht. Entsprechend wenig ist über die genaue Arbeitsweise des Ausschusses bekannt.
Allgemein wird in der Politikwissenschaft davon ausgegangen, dass der Vermittlungsausschuss konsensorientiert arbeitet. Empirische Studien haben jedoch gezeigt, dass die parteipolitische Zusammensetzung des Ausschusses Einfluss auf die Vermittlungsergebnisse hat.
Vermittlungsergebnis
Der Vermittlungsausschuss kann als Ergebnis eine Empfehlung an den Bundestag und den Bundesrat geben. Diese muss eine einfache Mehrheit im Ausschuss erreichen. Bei der Abstimmung hat jedes Mitglied eine Stimme.
Wird eine Empfehlung ausgesprochen, muss diese jedoch weder vom Bundestag noch vom Bundesrat angenommen werden. Erhalten Empfehlungen im Ausschuss nur eine knappe Mehrheit, ist es entsprechend wahrscheinlich, dass eines der beiden Organe das Vermittlungsergebnis ablehnt. Wurde die Empfehlung hingegen mit deutlicher Mehrheit entschieden, erhält sie in der Regel auch im Parlament und im Bundesrat eine Zustimmung.
Weiterhin darf sich das Vermittlungsverfahren nur in dem Bereich bewegen, in dem es während des Gesetzgebungsverfahrens Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat gab. Der Ausschuss besitzt kein Initiativrecht und kann demnach keine eigenen Gesetzesvorschläge machen.
Beispiele: Wachstumschancengesetz und CanG
In den letzten Jahren gehörten das Wachstumschancengesetz und das CanG zu den Gesetzesentwürfen mit der größten medialen Aufmerksamkeit. Anhand dieser Beispiele möchten wir Ihnen zeigen, ob und wann der Vermittlungsausschuss eingesetzt wird und welche Ergebnisse seine Arbeit haben kann.
Wachstumschancengesetz
Das Wachstumschancengesetz ist ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness. Da es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, war eine Mehrheit im Bundesrat notwendig, um es zu verabschieden.
Das Gesetz wurde am 17. November 2023 im Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner 1038. Sitzung am 24. November 2023 beschlossen, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird, um das Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Nachdem eine Einigung im Vermittlungsausschuss getroffen wurde, stimmen Bundestag und Bundesrat dem angepassten Gesetz zu, sodass es am 28. März 2024 in Kraft getreten ist.
CanG (Cannabisgesetz)
Mit dem CanG hat die Ampelregierung 2024 den privaten Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen legalisiert. Da es sich hierbei um ein Einspruchsgesetz handelt, hätte es der Bundesrat nicht ablehnen können. Allerdings wäre die Anrufung des Vermittlungsausschusses möglich gewesen, was das Inkrafttreten des Gesetzes erheblich verzögert hätte.
Aufgrund des Widerstands aus den konservativen Lagern war bis zum Ende nicht klar, wie der Bundesrat stimmen würde. Die notwendige Mehrheit von 35 Stimmen für die Anrufung des Ausschusses konnte jedoch nicht erreicht werden, sodass das Gesetz am 01. April 2024 in Kraft treten konnte.